Rückgang Mäusebussard

In einer auf sechs Jahre angelegten Studie untersuchte BioConsult SH mögliche Ursachen für den zurückgegangenen Bruterfolg des Mäusebussards im Landesteil Schleswig.

Warum nimmt der Bestand des Mäusebussards ab?


2014 und 2015 wurden der Brutbestand und der Bruterfolg des Mäusebussards auf zwei größeren Probeflächen im Landesteil Schleswig untersucht, für welche Vergleichsdaten aus früheren Jahrzehnten vorliegen. Dabei wurde festgestellt, dass das aktuelle Bestandsniveau des Mäusebussards auf etwa ein Drittel des Bestandes zur Jahrtausendwende zurückgegangen ist. Eine Ursache für diesen Rückgang kann neben Grünlandumbruch (Maisanbau für Biogasanlagen) und Mortalität durch Windenergieanlagen die festgestellte geringe Überlebenswahrscheinlichkeit der Nestlinge sein.

Projektziele und Methoden

Von April 2015 bis 2020 untersuchte BioConsult SH in einer sechsjährigen Studie mögliche Ursachen für den zurückgegangenen Bruterfolg. Neben der Fortführung der Brutbestandserfassung und der Bestimmung der Brut- und Gelegegröße wurden pro Brutsaison 10 Videokameras an Mäusebussard-Nestern eingesetzt, um folgende sechs Hypothesen für den geringeren Bruterfolg zu testen:

  • Geringerer Bruterfolg durch geringe Nahrungsverfügbarkeit. Die veränderte Landnutzung führt zu einem Rückgang/einer schlechteren Erreichbarkeit des Hauptbeutetieres Feldmaus (Microtus arvalis). Die Intensivierung der Landwirtschaft zeigt sich insbesondere durch Grünlandumbruch, verstärkten Mais- und Ackergrasanbau, Aufstallung der Milchkühe und damit Verlust von Weideland, hohen Düngergaben und den Einsatz schwerer Maschinen. Mit den Videokameras wurden Beuteeinträge dokumentiert und die Nahrungsversorgung quantifiziert.
  • Geringerer Bruterfolg durch vermehrte Prädation von Jungvögeln. Uhus (Bubo bubo) sind durch ein Wiederansiedlungsprogramm des Landesverbandes Eulenschutz in Schleswig-Holstein wieder heimisch geworden und haben sich in den letzten Jahrzehnten flächendeckend verbreitet. Andere Prädatoren (z. B. Habicht oder Säuger) treten ebenfalls im Untersuchungsgebiet auf. Mit den Videokameras konnten Prädationsereignisse erfasst und einzelnen Prädatoren zugeordnet werden.
  • Geringerer Bruterfolg durch geringeren Schlupferfolg (durch z. B. Umweltgifte): Die Videokameras dokumentierten die Schlupfphase und lieferten Aussagen darüber, aus wie vielen Eiern keine Junge schlüpften.
  • Geringerer Bruterfolg durch erhöhte Altvogelmortalität (z. B. durch Kollisionen mit Windenergieanlagen oder Freileitungen). Die Entwicklung der Windenergie und damit die Zunahmen von Windenergieanlagen (WEA) fällt zeitlich in den Bestandsrückgang des Mäusebussards. Bruten, die nur von einem Altvogel versorgt werden, haben eine geringe Überlebenswahrscheinlichkeit. Mit Hilfe der durchgehenden Videoaufzeichnungen konnte die Anwesenheit bzw. das Verschwinden von Altvögeln in der Phase der Jungenaufzucht dokumentiert werden.
  • Geringerer Bruterfolg durch erhöhten Gifteinsatz in der Landwirtschaft (Sekundärvergiftung durch z. B. Rodentizide). Die Videoaufzeichnungen ermöglichen in der Regel eine Bestimmung der Todesursache und können beispielsweise beim plötzlichen Tod von Jungvögeln Hinweise auf Vergiftung geben.
  • Geringerer Bruterfolg durch den Klimawandel (z. B. zunehmende Wetterextreme wie Hitze oder Starkregen mit Kälte). Die Videoaufzeichnungen filmen Wetterereignisse und deren Auswirkungen auf die Jungvögel.

Die Bilder werden von der Kamera aus der Baumkrone mit Hilfe eines am Baumstamm angebrachten Kabels an eine Kiste am Boden übertragen, in dem sich die Stromversorgung und die Aufzeichnungseinheit befinden.

Ergebnisse

Bruterfolg und Gründe für Jungvogelverluste von Mäusebussarden in Schleswig-Holstein – eine Detektivgeschichte mit Hilfe von Videokameras

Seit der Jahrtausendwende ist der Bestand des Mäusebussards auf mehreren Probeflächen im Landesteil Schleswig um insgesamt etwa 75 % zurückgegangen.

Der Bruterfolg – gemessen am Verhältnis der Jungenzahl zum Zeitpunkt der Beringung im Verhältnis zur Eizahl nach zweimaligem Erklettern des Nestes – war in einem jüngeren Zeitraum geringer als in einer Vergleichsstudie zwischen 1967 und 1976 (57 % seit 1998 gegenüber 78 % in den 1970ern).

Wir haben die Nestlingsphase von insgesamt 61 Bruten verfolgt. Es schlüpften aus 177 Eiern 168 Jungvögel von denen 117 ausflogen und 51 zuvor aus unterschiedlichen Gründen starben. Die drei häufigsten Gründe für Jungvogelverluste waren 1. Unterernährung durch geringe Feldmausanzahl oder -verfügbarkeit durch die Intensivierung der Landwirtschaft (auch Maisanbau für Biogasanlagen), 2. Prädation durch Uhu und 3. extreme Wetterereignisse.

Ob wir mit dem gegenüber dem Vergleichszeitraum geringeren Bruterfolg den wirklichen Grund für den Bestandsrückgang gefunden haben, muss weiter diskutiert werden, da weitere Faktoren (insbesondere die Überlebenswahrscheinlichkeit der Altvögel auch im Hinblick auf den Ausbau der Windkraft) nicht bekannt sind und wesentliche Stellschrauben in Populationsmodellen darstellen.

Videos 2017 (drittes Untersuchungsjahr)

Für das Jahr 2017 sind die folgenden drei Szenen aus der Aufzuchtphase der Jungvögel bei Bünge/Dörpstedt charakteristisch.

 

Zu wenig für drei

Dieses Video verdeutlicht exemplarisch die zu geringe Nahrungsversorgung der drei Jungvögel im Frühjahr 2017. Am 6. Juni kommt das Weibchen innerhalb von neun Stunden um 21:29 Uhr zum fünften Mal ohne Beute zum Nest. Für einen Jungvogel standen an diesem Tag insgesamt nur 40 g statt der benötigten etwa 150 g zur Verfügung. Damit sind die Reserven für den folgenden Tag mit Dauerregen und Kälte gering.

Schafskälte

Einen Tag später, am 7. Juni, ist der kleinste Jungvogel verhungert und wird an seine Geschwister verfüttert. Ein weiteres Küken wird ebenfalls nicht überleben. Grund ist ein Schlechtwetterereignis mit maximal 13 Grad, stürmischem Wind und Dauerregen ab 10:00 Uhr für 20 Stunden. Allein an diesem Tag starben bei allen mit Videokameras beobachteten Nestern insgesamt 8 von 26 Küken.

Einer kommt durch

Dieses Video belegt die gute Nahrungsversorgung des überlebenden ältesten – mittlerweile flüggen – Jungvogels, hier mit einer Verfütterung eines Maulwurfes am 2. Juli.

Videos 2016 (zweites Untersuchungsjahr)

Im folgenden Video wird die einzige Prädation des Jahres 2016 durch einen Habicht gezeigt. Allerdings gab es auch in diesem Untersuchungsjahr eine Prädation eines Jungvogels durch einen Uhu (nicht gezeigt).

Die Nahrungsversorgung der Jungvögel ist im Mäusemangeljahr 2016 sehr schlecht. Die nassen, frierenden Jungvögel streiten sich um eine Feldmaus. Nur ein Jungvogel behauptet sich gegen seine Nestgeschwister und frisst die Feldmaus allein.

Der schwächste Jungvogel ist bereits zwei Stunden später verhungert und fällt aus dem Nest. In den mit Kameras überwachten Nestern sind in 2016 acht Jungvögel verhungert. In 2015 verhungerte kein Jungvogel.

Videos 2015 (erstes Untersuchungsjahr)

In diesem Video sieht man wie ein junger Mäusebussard im Nest von einem Uhu geschlagen wird. Der Altvogel verhält sich dabei sehr passiv und versucht nicht den Uhu zu vertreiben. Der Uhu erscheint bei ca. 0:18. Später wird der Altvogel aus dem Nest vertrieben (bei ca. 1:45). Der zweite Jungvogel wurde später vom Uhu aus dem Nest mitgenommen.

In diesem Video sieht man wie ein junger Mäusebussard von einem Uhu aus seinem Nest verschleppt wird (bei ca. 0:33).

Publikationen


Grünkorn, T. & Welcker, J. (2021)

Ursachenforschung zum Rückgang des Mäusebussards im Landesteil Schleswig 2015 bis 2020

Gutachten im Auftrag der Projektgruppe Seeadlerschutz mit Mitteln des MELUND Schleswig-Holstein.

Grünkorn, T. (2016)

Projekt Ursachenforschung zum Rückgang des Mäusebussards im Landesteil Schleswig

Jagd und Artenschutz 2016 p. 91-94

Grünkorn, T. (2015)

Projekt Ursachenforschung zum Rückgang des Mäusebussards im Landesteil Schleswig

Jagd und Artenschutz 2015 p. 94-97

Grünkorn, T. (2015)

Ursachenforschung zum Rückgang des Mäusebussards in Schleswig-Holstein 148th Annual Meeting of the “Deutsche Ornithologische Gesellschaft”, Konstanz, Germany

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